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Bau' eine Brücke in die Zukunft

Die Bauwende beschreibt den fundamentalen Wandel hin zur echter Nachhaltigkeit und einem zirkulären Paradigma im Bausektor. Warum … und wie?

7

Minuten Lesezeit

Publiziert von

Stefan Endlweber

CEO der Baukom Group

Natur arbeitet in Kreisläufen … schaffen wir das auch?

Stell Dir vor, Du lernst Deinen neuen Nachbarn kennen …

Tom wird bald Vater und baut ein Haus für seine Familie. Ihr könnt gut miteinander und Du hilfst ihm hin und wieder beim Hausbau.

Ihr setzt Balken, Türen und Fenster und beobachtet, wie ein Haus langsam Gestalt annimmt. Kurz vor Lea's Geburt sitzt ihr bei einem Bier unter dem frisch gedeckten Dach und Du lässt Deine Gedanken schweifen…

Was brauchte es alles, um dieses Haus zu bauen?

Was zunächst nur feine Linien auf Papier waren, wurde durch die Schätze unseres Planeten greifbare Realität. Du denkst an Lehm, Quarzsand und Bäume, die nun Putz, Fenster und Balken sind.

In diesem Haus stecken die Liebe zum Detail … und die begrenzten Rohstoffe eines einzigartigen Planeten.

Ein paar Jahre weiter und Lea wird volljährig …

… und Tom reißt alles wieder ein. Nur 18 Jahre später macht er sich nicht die Mühe, die Rohstoffe wiederzuverwerten. Auf einer Halde sind sie nun eine Last für den Planeten statt wertvoll für unser Leben, wofür er auch noch containerweise bezahlt.

Eine schlechte Rechnung? Ja.

Völlig fiktiv? Für private Baudamen und -herren … zugegeben, wahrscheinlich fiktiv. Es zieht sicher jemand anderes ein.

Und im industriellen Bau?

Einfach alles platt gemacht

Die Fortis Bank in Amsterdam war ein schmerzhaftes Beispiel für einen lebensfeindlichen Trend: Ein immer knapperes Haltbarkeitsdatum unserer Bauwerke.

Das Bankgebäude wurde kurz vor der Jahrtausendwende fertig gestellt und 2014 gleich wieder eingerissen1, ganze 18 Jahre von Konstruktion bis Abriss.

Rohstoffe werden bisher nur selten aus Bauwerken wiedergewonnen und verlieren durch Abrisse massiv an Qualität. Häufig werden sie noch als Schüttgrund downcycled, doch manchmal landen sie auch direkt auf der Halde.

Dort schaffen sie nur noch eines: Unseren schädlichen Fußabdruck in der Oberfläche des Planeten zu vertiefen.

Freiwillige voran: Wer möchte zuerst auf sein Haus verzichten, um die Umwelt zu schützen?

Sicher ist niemand mehr bereit, freiwillig auf schützende Wände zu verzichten und am Frühstückstisch gegen Wind und Wetter anzutreten.

Daheim soll es kuschlig warm sein, am Arbeitsplatz darf der Wind die Notizen nicht vom Schreibtisch pusten und das Theaterstück im Herbst würde ohne Dach ins Wasser fallen.

Eine stetig wachsende Zahl von Menschen braucht ein Dach über dem Kopf. Wir brauchen Häuser um zu leben … und doch brauchen wir einen Wandel, um unseren so einzigartigen wie fragilen Lebensraum zu erhalten.

Ein offener Brief an die Baubranche

Von Bauschutt zu geschlossenen Kreisläufen

Hey, ich bin Stefan und ich mache mir große Sorgen über die Welt, die wir unseren Kindern hinterlassen werden.

Wir haben in den letzten Jahrzehnten ein unvergleichliches Wirtschaftswachstum gesehen. Was es hervorbrachte, haben wir umgehend zu unserem neuen Lebensstandard erklärt und dabei enorme Schäden angerichtet. Ein lineares Paradigma der Wirtschaft hat unsere moderne Welt erschaffen – und bedroht sie jetzt.

Als Top-Manager war ich lange Zeit eher Teil des Problems als Teil der Lösung. Das will ich verändern und dabei die ganze Branche einladen, die Bauwende jetzt mitzugestalten.

Erst Vater, dann Manager

Es braucht eine gesunde Dringlichkeit. Richtungsweisende Entscheidungen immer wieder auf das nächste Quartal zu vertagen erschafft keine lebenwerte Welt für die Generationen nach uns.

Die Zeit läuft …

Nach Berechnungen des Mercator Instituts2 haben wir für die Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles3 bis zum 29. Dezember 2027 Zeit, um die atmosphärische CO2-Sättigung in den Griff zu bekommen.

0000
Tage
00
Stunden
00
Minuten
00
Sekunden

Natürlich handelt es sich nur um eine Prognose, doch nehmen wir sie einmal für bare Münze, um die notwendige Dringlichkeit zu empfinden: Welche Hebel können wir ziehen, um rechtzeitig einen entscheidenden Wandel zu starten?

Fangen wir doch beim Bau an!

Denn vom Bau werden europaweit …

40

%

der Treibhausgase
produziert

45

%

des Mülls
produziert

50

%

der Ressourcen
entnommen

Wer einen riesigen Fußabdruck nicht finden kann, steht wahrscheinlich darin

In Europa nutzt der Bausektor von allen gewonnen Rohstoffen also ungefähr die Hälfte4. Deshalb stammt auch fast die Hälfte5 der europäischen Müllhalde aus dem Bau. Wie steht unsere Infrastruktur denn im Verhältnis zur Natur, in der sie errichtet wurde?

Auf ca. 3 Mdr. Tonnen Waldbestand6 treffen in Deutschland rund 15 Mdr. Tonnen Gebäudebestand7. Unsere Häuser wiegen mittlerweile also das Fünffache des Waldes um uns herum, so viel wie 150.000 durchschnittliche Blauwale oder 50 Billionen überdurchschnittlich dicke Eichhörnchen … nur um die Dimensionen besser fassen zu können.

Zuletzt produziert der Bausektor weit über einem Drittel des europaweiten Ausstoßes8 von Treibhausgasen. Doch das Klima sendet klare Signale: Die Temperatur steigt!

Unser Haus brennt.

Wie lang können wir noch im globalen Sandkasten schaufeln?

Der globale Ressourcenverbrauch hat sich seit 1970 mehr als verdreifacht: von 26,7 Milliarden Tonnen auf 92 Milliarden Tonnen9 im Jahr 2017.

Der Internationale Ressourcenrat (IRP) schätzt, dass sich unser Bedarf an Ressourcen innerhalb der nächsten 30 Jahre erneut verdoppeln und im Jahr 2050 zwischen 170 und 184 Milliarden Tonnen10 liegen wird.

Ohne Trendwechsel wird sich die globale Ressourcenlast also in 80 Jahren mehr als versechsfacht haben, innerhalb nur eines Menschenlebens.

Eigene Abbildung mit dem Datensatz vom Internationalen Ressourcenrat (IRP)9, 10

Und es wird nicht nur ökologisch eng…

Das renommierte Beratungsinstitut McKinsey brachte im Jahr 2014 in Zusammenarbeit mit dem World Economic Forum und der Ellen McArthur Foundation einen Bericht heraus, der die Entwicklung der Rohstoffpreise seit 1900 zeigt.

Eigene Abbildung in Anlehnung an: Towards Circular Economy Report11, Commodity Price Index

Wir haben nicht nur eine ökologische, sondern auch eine ökonomische Krise. Eine echte Ökokrise. Ressourcen werden spürbar immer knapper, das treibt die Preise nach oben – nach jahrzehntelang fallenden Preisen ein extremer Schock für den Markt.

Wollen wir darauf warten, dass sich die langfristige Untragbarkeit eines lineares Modells noch deutlicher zeigt oder wollen wir uns bald auf die Suche nach besseren Ideen machen?

Lösungen

Zeit, endlich aufzuwachen!

Das lineare Wirtschaftsmodell des »Take-Make-Waste« meldet sich gerade selbst ab und selbst Recycling denkt nicht entschlossen bis zu Ende.

Ein neuer Vorschlag: Gesunde Materialien unbegrenzt weiter verwenden. Der Natur geht nichts verloren, alles wird unermüdlich erneuert. Wasser und Nährstoffe bewegen sich in Kreisläufen durch alle Sphären des Lebens – schaffen wir das Gleiche mit unseren Rohstoffen?

Linear
Einfach Schrott
Downcycling
Komplizierter Schrott
Recycling
Runde Sache

Wenn auch unsere Ressourcen zirkulieren sollen, zeigt Cradle to Cradle12 einen Weg, den wir gehen können. Dabei werden die verwendeten Rohstoffe in zwei separaten Kreisläufen geführt. Dort zirkulieren…

Biologische Verbrauchsgüter

wie kompostierbare Kunststoffe aus Maisstärke kehren in den Kreislauf der Natur zurück. Sie sind dabei frei von Giften, reich an Nährstoffen und gesund für's Ökosystem.

Technische Gebrauchsgüter

wie Stahl und Petro-Kunststoffe zirkulieren im Kreislauf der Industrie. Das Ziel ist, die Materialqualität vollständig zu erhalten, um die Rohstoffe immer wieder neu zu nutzen.

Was genau heißt das für den Bau?

Die Aktivistengruppe Architects for Future haben in ihren sieben Forderungen13 für alle Spieler der Baubranche einen Rahmen geschaffen, wie kreislaufgerechtes Bauen und damit die Bauwende gelingen kann.

Ihre Forderungen in Fragen übersetzt und neu sortiert:

  1. Müssen wir wirklich abreißen oder finden wir eine sinnvolle Nachnutzung?
  2. Falls abgerissen wird, wie gelingt der Abriss ohne Downcycling, also Verlust der Materialqualität?
  3. Können wir gleich am Anfang vom Ende her denken und direkt so bauen, dass ein materialschonender Rückbau möglich wird?
  4. Können wir für Menschen bauen - und nicht für Investoren – und damit optimale Bedingungen zum Leben und Arbeiten schaffen?
  5. Geht das mit gesunden Materialien, die das Sick Building Syndrome14 zur Krankheit der Vergangenheit werden lassen?
  6. Können wir diese Materialien aus urbanen Minen gewinnen, also aus dem Rückbau anderer Gebäude, um damit Primärrohstoffe zu schonen?
  7. Können wir all das so planen, dass möglichst weite Teile der umgebenden Natur ungestört bleiben und geschützt werden?

Bauwende Initiative

Gemeinsam für eine bessere Zukunft

Die Bauwende kann nur gemeinsam gelingen. Deshalb kooperieren wir mit innovativen Playern der nachhaltigen Bauszene und bauen stetig unser Netzwerk aus.

Du hast Interesse, an dieser Initiative teilzunehmen?
Schreib uns eine Nachricht:
info@bauwende.com

Aufruf an die Baubranche

Zeit für tiefgreifenden Wandel

An echten Kreisläufen und einem intelligenten Umgang mit Emissionen gibt es keinen Weg mehr vorbei. Wir haben nur diesen einen Planeten. Wie wollen wir ihn unseren Kindern übergeben?

Dabei gibt es gute Nachrichten: Die Autoren des Circularity Gap Reports schätzen ein, dass sich Pläne zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes und zirkuläre Modelle gegenseitig unterstützen15.

Der Weltklimarat (IPCC) sprach dem Bausektor bereits 2007 das größte Potential zu, seine gewaltigen Emissionsmengen zu den geringsten Kosten senken16 zu können.

Echte Nachhaltigkeit muss in Businesspläne und in die DNA aller Unternehmen integriert werden, einige wenige Unternehmen reichen da nicht aus. Es braucht mehr Menschen und Leucht­turm­projekte mit frischen Ideen, frischen Geschäfts­modellen und dem Mut zur Innovation.

Ich freue mich darauf, mit Aktiven aus der Baubranche die Welt von morgen zu gestalten.

Die nächsten Schritte

Liegt eine 1,8 Billionen Euro Marktchance in echter Nachhaltigkeit vor unseren Füßen? Das erfährst Du hier.

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Publiziert:

28.06.2021

Aktualisiert:

20.04.2022

Quellenangaben
Eric Bola, CMO of Growintoflow
Publiziert von

Stefan Endlweber

CEO der Baukom Group

Stefan Endlweber ist der CEO der Baukom Group und der Initiator der Bauwende.com.

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